Donnerstag, 13. September 2018

The true Nerds of Punk Rock Vol. 1

Das Wort "Punk" führt bei vielen Leuten direkt zu einer Abwehrreaktion. Jane und John Doe denken dann direkt an die Jungs vom Bahnhof mit der Dose Sternburg, die mal mehr mal weniger nett nach Geld fragen. Geht es um Punk Rock denken die beiden dann direkt an schmutzigen Crust Punk aus dem Keller eines besetzen Hauses.

Verantwortlich für das Image sind natürlich nicht zuletzt die Sex Pistols und vor allem Sid Vicious, die diesen Style prägten und sehr bekannt machten. Die Band landete 1977 auf Platz 1 der UK-Album-Charts und Sid Vicious starb bereits 1979. Dieser unglaubliche Erfolg einer Band von absoluten Dilettanten sowie der Rockstar-Tod ihres bekanntesten Mitglieds, der nebenbei bemerkt nicht einmal wirklich mitspielte sondern nur als cooler Typ daneben stand, zementierte das Image des Punk Rocks auf Jahrzehnte. Dabei waren die Sex Pistols weder die erste Punk Band (die Ramones begannen Jahre früher) noch die erfolgreichste (Bands wie Green Day oder Blink-182 verkauften viele Millionen Platten). Aber auch heute pflegen noch viele Bands die gute alte Crust-Tradition und halten den Look von 1977 am Leben. Allen voran denke ich da natürlich an The Exploited (deren Logo, ein Totenschädel mit Mohawk, legendär ist) oder die unten abgebildeten Casualties.


Doch natürlich geht es auch ganz anders. Schon Ende der 70er haben viele Bands, besonders in den USA, den Stil ihrer jeweiligen Subkultur mit zum Punk Rock gebracht. Neben dem typischen Look der Straße und teilweise auch von Gangs (siehe Suicidal Tendencies) waren Skateboarding, aber auch BMX'ing und Surfing, massive Einflüsse.

So kam es, dass die neue Generation von Hardcore Punk Kids in Kalifornien, aber auch Washington DC, New York und vielen anderen Gegenden, eher Vans als Docs trugen und viele sogar einen Stil pflegten, der heute fast als konservativ angesehen werden würde.

So erlebe ich immer wieder wie ungläubig und fast schon enttäuscht Leute reagieren, wenn ich ihnen Bilder von Bands wie Pennywise oder Millencolin zeige, die mit ihren Caps und Sneakern eher wie Skater als Punks aussehen.

Auf die Spitze getrieben haben es allerdings 4 Bands deren Mitglieder und vor allem Sänger man ruhigen Gewissens als Nerds bezeichnen kann. Brillen, Halbglatzen, Poloshirts und trotzdem hingerotzte Punk Rock Bretter, die kaum länger als 3 Minuten sind. Ihr dachtet das geht nicht? Oh doch das geht. Ich präsentiere meine 4 Lieblingsnerdbands:

Bad Religion
Heimat: Los Angeles, Ca.
Gegründet: 1980


Und natürlich muss ich mit Bad Religion anfangen! Seit bald 40 Jahren ist die Band um Greg Graffin und Brett Gurewitz der Prototyp für intellektuellen Punk Rock. Bei Greg Graffin ist das auch nicht nur ein Image. Er ist tatsächlich promovierter Evolutionsbiologe, veröffentlichte mehrere Bücher zum Thema und hält Vorlesungen. Nicht zuletzt auf Grund dieses Backgrounds gelten die Texte von Bad Religion sowohl sprachlich als auch inhaltlich als äußerst anspruchsvoll.

2018 waren die Jungs nicht nur auf ausgedehnter Tour durch Europa, sondern haben sich auch mit einem neuen Song zur politischen Lage in den USA zurückgemeldet:



The Offspring
Heimat: Garden Grove, Ca.
Gegründet: 1984


Nicht minder umtriebig ist Bryan "Dexter" Holland von The Offspring. Bereits in den frühen 90ern machte er seinen Master in Molekularbiologie, dem 2017 schließlich ein Doktortitel folgte. Zur Zeit forscht er daran HIV zu besiegen und veröffentlichte unlängst ein wissenschaftliches Paper zu dem Thema. Außerdem hat er seit einigen Jahren eine eigene Soßen-Marke namens "Gringo Bandito" auf dem Markt, dessen Label eine Comicversion von ihm zeigt. Wenn das nicht nerdig ist ...

Im großen Unterschied zu Bad Religion haben Dexter und Kevin "Noodles" Wasserman von The Offspring aber durchaus versucht cool und punkig zu sein. Und eigentlich versuchen sie es auch heute noch, nur will das nicht so recht klappen. Es sei denn irgendjemand findet 50-jährige mit blondierten Haaren und Jacketts voller Aufnähern cool.

Was sie dagegen drauf haben ist coole Musikvideos zu machen. Ich will euch heute aber nicht mit "Self Esteem" oder "Pretty Fly" langweilen, sondern zeige euch einen anderen Klassiker:


Descendents
Heimat: Manhattan Beach, Ca.
Gegründet: 1977


Weiter geht es mit einer Band, die sogar noch etwas älter als Bad Religion ist. Descendents wurden schon 1977 gegründet, ihr Leadsänger und Obernerd stieß allerdings erst 1981 zur Band. Bis heute hat Milo Aukerman die Band sage und schreibe 4 Mal verlassen um zu studieren. Dieser Fakt hat einen ganz zentralen Einfluss auf die Band und ihr Image. So wurde nicht nur das erste Album "Milo Goes To College" genannt, sondern es entstand auch die Parallelband "ALL" (kurz gesagt ist ALL  identisch mit Descendents, allerdings mit anderem Sänger und natürlich eigenen Songs), damit die anderen Mitglieder was zu tun hatten, während Milo an seinem Doktor arbeitete. Diesen hat er übrigens inzwischen in Biochemie erhalten und so gab es bereits seit 2010 keinen Split der Band mehr - wir klopfen auf Holz.

In den letzten Jahren ist die Band nun, für ihre Verhältnisse, auch besonders umtriebig. 2016 veröffentlichten sie nach 12 Jahren Release-Pause endlich ihr 7. Album (in Rund 40 Jahren Bandgeschichte!) sowie 2016 und 2018 jeweils eine E.P. - holy Shit so viel Material sind wir vom Herrn Doktor nicht gewohnt. Das muss ich erstmal verdauen.

Am Besten mit dem Song, mit dem ich diese wunderbare Band entdeckt habe:


No Fun At All
Heimat: Skinnskatteberg, Sweden
Gegründet: 1991


Selbe Brille, ähnlich Haltung, fast der gleiche Blick - als ich dieses Jahr No Fun At All und erstmals auch endlich Descendents live in Berlin erleben durfte, fiel mir zum ersten Mal die Ähnlichkeit von Ingemar Jansson (No Fun At All) und Milo Aukerman (Descendents) auf. Die Gesichter sehen sich zwar gar nicht ähnlich, aber das drum herum dafür umso mehr. Nur die Haare sind bei Ingemar schon ganz schön schütter im Gegesatz zu Milo. Und auch die Ausbildung ist eine etwas andere, denn Ingemar hat keinen Doktor sondern ist bis heute Elektriker von Beruf - was nicht weniger ehrbar ist!
Ob Ingemar seinem eigentlichen Beruf neben der Band noch nachgehen muss, kann ich euch leider nicht sagen. Was ich aber weiß ist, dass No Fun At All wieder regelmäßig auf Tour sind und dieser alte uncoole Mann da auf der Bühne wirklich eine wahnsinnige Stimme und irgendwie auch Ausstrahlung hat.

Hier die erste Single vom aktuellen Album:


Und was haben alle diese Bands gemeinsam? Sie machen alle Melodic Punk Rock bzw. Melodycore, Skate Punk, Melodic Hardcore, Pop Punk, Softcore oder wie man es auch nennen mag. Jedenfalls keinen Crust Punk, denn Punk Rock ist eben nicht EIN Stil oder EIN Look. Zwischen Good Charlotte (sehen aus wie Crust Punks, klingen aber nach Radio) und Napalm Death (sehen aus wie Informatiker, knacken aber deinen Schädel) liegen Welten und das ist auch gut so, denn ich liebe Good Charlotte UND Napalm Death und hundert andere großartige Punk Bands.

Fun Fact zum Schluss: Alle 4 Bands hatten Veröffentlichungen auf Epitaph Records. Bad Religion haben das Label gegründet und die meisten ihrer Alben dort veröffentlich, The Offspring wurden bei Epitaph zu Weltstars, Descendents sind seit den 90ern bis heute bei Epitaph und No Fun At All waren früher beim Schwedischen Kultlabel "Burning Heart Records", welches in den USA über Epitaph vertrieben wurde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen